Datenschutz vs. Patientenschutz, RLV und Bereinigung der TSVG-Leistungen, Heilmittelverordnung neu

Dez 18, 2020

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Dr. Carl aus Bayern hat zu Recht eine warnende Information zur neuen Interaktions-Check-Software der Compugroup gegeben: Es sollen Patientendaten in der Cloud verarbeitet werden und wohl auch weitergegeben werden. Man fragt sich, ob man jetzt mit jedem Patienten eine längere Aufklärung und Diskussion über die DSGV Implikationen des Interaktions-Checks machen muss.

Wer seinen aktuellen RLV Bescheid (für 1/2021) liest, dem fällt vielleicht auf, dass im Gegensatz zum Vorquartals-Bescheid diesmal keine Bereinigung der TSVG Leistungen stattfindet. Das liegt daran, dass wegen der 90% Regelung und der anzunehmenden geringeren Inanspruchnahme die Bereinigung nicht angewendet werden kann, sondern auf das vor-Corona Quartal 1/2019 zurückgegriffen wird. Da die Lage hier etwas unübersichtlich wird, auch bezüglich der Implikationen für unsere kürzlich empfohlene Taktik, habe ich bei der KVBaWue nachgefragt. Die Lage wird tatsächlich so komplex, dass eine Lösung nicht im Land, sondern per Gesetz herbeigeführt wird. Daher korrigiere ich meine Empfehlung: Bis zur Klärung der genauen Kriterien der Bereinigung empfehle ich Zurückhaltung bei der Generierung von TSVG Fällen (vor allem über die freie Sprechstunde), weil wir den langsamen Zuwachs vermutlich gut brauchen können, aber eben erst, wenn die Eingangsbereinigung abgeschlossen ist. Sonst rackern wir umsonst!

Ab Januar gilt die verschobene neue Heilmittelrichtlinie (hier die kurze Info der KBV). Im Mitgliederrundbrief des BundesBVDN gab es eine positive Einschätzung. Nach meiner Ansicht nervig ist, dass wir uns erneut mit anderen Kriterien herumschlagen müssen, um die gleiche Verordnung wie bisher zu begründen. Wichtig ist der neue Begriff Verordnungsfall. Er umfasst alle verordneten Heilmittel:
• aufgrund derselben Erkrankungen
• bei demselben Patienten
• verordnet durch denselben Arzt
• innerhalb der letzten sechs Monate. Cave: Wenn ich es richtig verstehe, dann endet der Verordnungsfall nur nach 6 Monaten Rezeptpause und läuft sonst bei kontinuierlicher Behandlung weiter! Für Gemeinschaftspraxen wichtig: Kriterium für die Zählung ist die lebenslange Arztnummer LANR auf dem Rezept! Neue Nummer, neues Glück?

Ebenfalls neu muss die Begründung für das Überschreiten der orientierenden Behandlungsmenge ab jetzt nicht auf dem Schein, aber – Vorsicht! – in der Akte dokumentiert werden. Eine Höchstmenge (jetzt pro Verordnungsfall) gibt es weiterhin. Und alle 12 Wochen muss sich der Verordner vom Zustand der Patientin und der Indikation zur Therapie überzeugen, das Rezept darf bei langfristigem Bedarf alle Anwendungen für die 12 Wochen enthalten. Die Diagnosenzuordnung (ab Seite 74 der Richtlinie) zu einem langfristigen oder besonderen Versorgungsbedarf hat sich zunächst nicht geändert, ebenso ist es weiter möglich, einen Antrag auf notwendige Überschreitung bei der Krankenkasse zu stellen.

Ganz neu: Ab „Frühjahr 2021“ (laut KBV) können Sie Ihren Patientinnen und Patienten auch eine sogenannte Blankoverordnung für Heilmittel ausstellen. Damit entscheidet dann der Therapeut über Auswahl der Heilmittel, Frequenz und Anzahl der Behandlungseinheiten. Und trägt die Verantwortung für die Wirtschaftlichkeit. Da wir derzeit überhaupt nicht abschätzen können, wohin dabei die Reise geht, würden wir zunächst von der Blankoverordnung abraten. Ich habe die KVBaWue zur Übersetzung der Datumsangabe und zu den realen Konsequenzen gefragt und werde berichten.

Am Schluss einige kurze Anmerkungen:

Rettungsschirm ab jetzt nur noch auf Antrag! Bitte prüfen Sie, ob sie unter die 90% Regelung fallen.

Zur Info (könnte bei uns auch kommen – bitte alle Regresse an uns melden!): Regresse in Rheinland-Pfalz bei off-Label Verordnung von Benzodiazepinen bei Schlafstörung oder Ruhelosigkeit bei Demenz, Pregabalin, Duloxetin bei anderer als diabetischer PNP. Aus Baden-Württemberg wird uns aktuell ein Fall einer Prüfung wegen Überschreitung des praxisindividuellen Richtwertvolumens um mehr als 25% berichtet, verursacht vor allem durch atypische Depot Neuroleptika. Wir werden noch genauer berichten!

Eine interessante online Fortbildung am Mittwoch Abend 27.01.2021 zu Angststörungen hier.

Und ganz zum Schluss: Das war hoffentlich die letzte Aktuelle Information. Aber es hatte sich doch zu viel angesammelt, um bis ins neue Jahr zu warten. Also wünscht der gesamte Vorstand noch einmal alles Gute zu Weihnachten und ein entspannteres neues Jahr!